Joe Huhn
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CHIFFREN DES MENSCHSEINS
Man könnte sie auch Bilder nennen. Oder Symbole. Es dreht sich immer um ein abstraktes Zeichen für das Miteinander in der Welt in den Werken von Joe Huhn. Ich bleibe bei Chiffren, denn in den verschlungenen Linien, in den Farbstreifen, in den scheinbaren Neonsträngen ist immer ein Geheimnis, das sich bei jedem Betrachter anders erfüllen muss. Im frühen Mittelalter gab es eine Zeit, in der auf die Abbildung der Menschen zunehmend verzichtet wurde. Auf den Evangeliaren begannen sich Linien zu winden, Bänder zu verschlingen und manchmal, manchmal war darin auch ein Mensch zu sehen, der sich ebenso verschlungen an die scheinbare Ornamentik anpasste. Nach den Zeiten der Bilderüberflutung des Göttervollen Rom ging die Lust am Realistischen zu Ende, und eine Zeit der Symbolik und der Zeichen brach an, denn sie war mit Abbildungen der Natur nicht auszudrücken. Die Parallele zum 21. Jahrhundert ist nicht zu fern: Der Iconic Turn* ist schon lange vorbei, und wir leben in Bildern, die sich von ihren Botschaften gelöst haben. Vielleicht ist es wieder Zeit für Zeichen. Der amerikanische abstrakte Expressionismus hat mit Newman und Rothko Farbe und Reduktion als ultimative Besinnung entwickelt. Joe Huhns Arbeiten sind davon beeinflusst und orientieren sich an der Pop Art der 60er Jahre, ohne bei ihnen zu stehen zu bleiben. Er spielt mit Worten („My book – your book“ bezieht sich auf den Dialog und auch die Auseinandersetzung zwischen den textbezogenen Weltreligionen), er hat eine Botschaft als Angebot, die er manchmal tatsächlich ins Bild schreibt (z.B. auch in FLag: „All Glory will fade“). Aber die Worte stehen aber nicht alleine, sie werden umspielt von Farbe, die in verschiedenen Schichten angelegt ist und gleichsam schon in der Technik einen Hintergrund eröffnet, der mit einer geschriebenen Botschaft noch nicht erschlossen ist. Der Betrachter wird über sinnliche Elemente (Farbschattierungen, unterschiedlich pastos aufgetragene Materialien) oder auch über Farbsymbolik eingeladen weiterzusehen: Auffallend häufig kommt Violett/Purpur ins Spiel, eine Farbe, die bis zur Aufklärung für das Göttliche – Himmlische stand und somit für das Edle, Unerreichbare und für die Sehnsucht nach Erlösung stand. „All Glory will fade“ auf einem Stern geprägt, steht inmitten einer solchen violetten Farbfläche. Der Titel „Flag“ verrät eine Referenz an Jasper Johns, bleibt aber, so meine ich, im Europäischen, das den Patriotismus so nicht lebt, aber wohl die Frage stellt nach dem, was bleibt, wofür man sich einsetzt und wofür man „Zeichen setzt“.Joe Huhn will über das Menschsein malen, dies geht aus den bewusst gewählten Titeln hervor: „Amongst friends“ oder „Look at yourself“ sind als erste Hinweise zu verstehen: Es geht um das Leben im Individuellen, darum, die eigenen Wege zu finden. In „amongst friends“ können die grünen Farbstreifen als Wald gedeutet werden, eine Lichtung ist zu erahnen, ein leichter, skizzierter Blick, der nicht weiter präzisiert wird. Ebenso könnte es sich aber auch um Textur handeln, Stoffgewebe, im Übertragenen: Der Stoff, aus dem wir gewebt sind, manchmal dichter, manchmal lockerer. Und wir sind immer eingewoben in Umgebung, ein Faden im Stoff. „Amongst friends“- inmitten von etwas sein – ist ein besonderes Angebot von Joe Huhn, sich aus der Mitte heraus zu sehen. Meistens bieten die Linien, die grafische Blickführung, jedoch eine vereinzelte Spur, auf der man sich als Individuum empfinden muss. Auf der der Weg langwierig und verschlungen ist und manchmal auch wieder in die Nähe von bereits Gegangenem kommt. Linien, die sich als Neonröhren im Bild winden („Wiseguy“ oder „look at yourself“), sind wie Lichtpfade, denen man folgen kann. Es geht um die Individualität im Positiven, aber auch in der Vereinzelung, um die Abspaltung von der Gemeinschaft, wie im Leben in Städten („Urban momentum“). In seiner „3-D Comic-Art“ sind die Aussagen von Joe Huhn sehr konkret: So geht es ihm in „obey“ um das Missbrauchsthema: eine geklammerte Banane und die zentrale Zunge sind Anspielungen, polarisiert durch die „fröhliche“ Farbgebung. Und auch hier wird die Aussage über die bewegte Linie geführt, selbst wenn diese plastisch geworden ist. Die Bildthemen sind konsistent und werden mehrheitlich auf zwei Arten umgesetzt: Entweder in meditativen Bildmustern oder in dynamischen Linien auf monochromen Hintergrund. Eine weitere Spielart ist das Umsetzen mit Raumtiefe („urban momentum, obey“). In den meisten Bildern bleibt es bei der farblichen Beschränkung auf Violett, Gelb oder Rot. Die Arbeiten sind bewusst reduziert, sie bieten Stille an. Und das Geheimnis. Vielleicht hat dies der ehemalige Schriftenmaler Joe Huhn aus dem Mittelalter. Es wäre eine schöne Herausforderung für unsere Zeit. Konstanze Frölich, im August 2010*Der Iconic Turn stammt aus den 90er Jahren und beschäftigt sich mit dem Denken in Bildern, einer Welt, die immer stärker vom Wahrnehmen über Bilder geprägt ist.